Die Gleitsichtbrillenstudie

Eine Studie eines Augenoptikers untersucht die Zufriedenheit beziehungsweise die Unzufriedenheit von Gleitsichtbrillenträgern. Eine Zeitungsanzeige wies auf die Möglichkeit einer unverbindlichen und kostenlosen Teilnahme hin. Untersucht wurden 38 Gleitsichtbrillenträger.

Warum gibt es überhaupt Probleme mit Gleitsichtbrillen?

Warum können nicht alle Brillenträger diese technische Errungenschaft zufrieden für sich nutzen?

  • Zum einen, weil nichts so gut ist, wie die Natur. Die natürliche Scharfstellung durch die menschliche Augenlinse funktioniert schnell, unbemerkt und anstrengungsfrei. Erst wenn die Zeitung trotz Mühe nicht mehr scharf gesehen werden kann, fällt auf, wie gut die Naheinstellung der Augen gearbeitet hat.
  • Zum anderen, weil Gleitsicht auch bedeutet: Eine komplexe Angelegenheit, welche von Augenoptiker/ Optometrist, Brillenglashersteller und auch Brillenträger einiges abverlangt. Wenn ein Punkt nicht ideal erfüllt ist, zum Beispiel die Zentrierung der Gleitsichtbrillengläser, kann die Brille nicht gut vertragen werden. Auch dann nicht wenn andere Einflussgrößen gut abgestimmt sind, wie zum Beispiel die Sehstärke.
  • Zum Dritten gibt es große Unterschiede zwischen Gleitsichtbrillengläser. Nicht jeder Schliff entspricht aktuellem Forschungsstand; veraltete Gleitsichtbrillengläser können damit kein komfortables Sehen für anspruchsvolle Brillenträger mit hohen Sehanforderungen, zum Beispiel Arbeiten am Computer, bieten.

 

Wissenschafftliche Problemlösung für Gleitsichtbrillenträger

Im Rahmen eines Forschungsprojektes im Masterstudiengang (Master of Sciences in Vision Sciences and Business/ Optometry) an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Aalen (HTW) wurden von Oktober bis November 2012 Gleitsichtkunden untersucht, die über Probleme klagten. Dabei wurde die Frage gestellt: Lassen sich unzufriedene Gleitsichtbrillenträger in die Gruppe der zufriedenen Gleitsichtbrillenträger bringen oder ist es eine unabänderliche Charakteristik des Brillenträgers, Gleitsicht nicht zu vertragen? Sind also die Probleme mit Gleitsichtbrillen lösbar? Alle Studienteilnehmer wurden innerhalb eines genau definierten Ablaufschemas mit einem bestimmten neuartigen Gleitsichtbrillenglas ausgestattet und betreut. Die Teilnahme bestand aus mindestens vier Terminen und war kostenlos und unverbindlich. Nach Abschluss des vierwöchigen Probetragens bestand für die Studienteilnehmer die Möglichkeit, die Gleitsichtbrille zu erwerben.

Die Ergebnisse der Studie liegen vor: Über 80% aller Teilnehmer bewerteten Ihre neue Gleitsichtbrille als wesentlich besser als ihre vorherige. Über 80% aller Studienteilnehmer kauften die Gleitsichtbrille und belegten damit ihre hohe subjektive Zufriedenheit. Der Preis der neuen Brille lag in vielen Fällen über der zuvor erworbenen. Der Kauf war demnach nicht durch einen günstigen Preis veranlasst, zumal die vorherige Brille häufig nutzlos war und eine Rückerstattung der vorher erworbenen Brille in vielen Fällen verweigert wurde. 

Probleme mit Gleitsichtbrillen sind demnach in den meisten Fällen lösbar.

Durch den großen Erfolg des Projektes wurde der Hersteller und auch andere Augenoptiker/ Optometristen darauf aufmerksam. Daraus entwickeln sich weitere Studien, die in eine Langzeitstudie einfließen. Im Rahmen einer weiteren wissenschaftlichen Arbeit werden diese Daten gesammelt und ausgewertet.

Ziel dieser Langzeitstudie ist die Erforschung der Unzufriedenheit von Gleitsichtbrillenträgern und der Untersuchung zur Steigerung der subjektiven Zufriedenheit auf ein Niveau, das ein normales, beschwerdefreies Tragen von Gleitsichtbrillen im Alltag ermöglicht.

 

Falls Sie Interesse haben an der Studie teilzunehmen, wenden Sie sich bitte an die teilnehmenden Augenoptiker/ Optometristen in Ihrer Nähe oder sprechen Ihren Augenoptiker darauf an.

Die Resultate der Gleitsichtbrillenstudie

Die Ergebnisse sprechen für sich: Von 38 Gleitsichtbrillenträgern, die von Problemen berichtet haben und ihre Gleitsichtbrille nicht so nutzen konnten, wie sie es erwartet haben, wurde ein Durchschnittswert der Zufriedenheit von 85,55% mit der neuen Gleitsichtbrille angegeben. Das entspricht einer durchschnittlichen Zufriedenheitssteigerung von 45 (Standardabweichung 23) auf einer Skala von 0-100. Die Bewertung wurde auf einer visuellen Analogskala vom Kunden bewertet auf die Frage: "Wie zufrieden sind Sie insgesamt mit Ihrer Gleitsichtbrille?" Diese Frage wurde bezogen auf die zuvor getragene Brille und auf die neu angefertigte Gleitsichtbrille beim Abgabetermin, beim 1. Nachbetreuungstermin (eine Woche nach Abgabe) und beim zweiten und letzten Nachbetreuungstermin in der 3. bzw. 4. Woche nach Abgabe der Gleitsichtbrille.

Daneben wurden noch zahlreiche andere Fragen gestellt und ausgewertet, wie zum Beispiel die empfundene Größe des Nahteils, das subjektiv empfundene Sehen nachts etc.

Messung und Auswertung der Gesamtzufriedenheit

Zufriedenheitsverlauf bei 38 Studienteilnehmern
Zufriedenheitsverlauf bei 38 Studienteilnehmern

Probleme mit Gleitsichtbrillen sind vielfältig

Im Rahmen der Studie wurden nicht die Probleme selbst oder deren Ursache untersucht. Ziel war die Messung der Zufriedenheit mit der vorherigen Gleitsichtbrille und der Vergleich mit der neuen Gleitsichtbrille. Die Studienteilnehmer hatten nach Abschluss der Studie die Möglichkeit, die Gleitsichtbrille zu erwerben.

Eine Untersuchung der zugrundeliegenden Ursachen der individuellen Probleme  wurde nicht bezweckt. Eine solche Untersuchung mag zwar sinnvoll erscheinen, sprengt aber den Rahmen einer Studie, da sehr viele umfangreiche Einzeluntersuchungen notwendig sind, die nur für wenige Teilnehmer durchführbar sind. Eine kleine Teilnehmerzahl würde dann die Aussagekraft für eine Allgemeinheit von problematischen Gleitsichtbrillen sehr einschränken.

Verteilung der Resultate der Gesamtzufriedenheit

Darstellung (Boxplot) zur Veranschaulichung der Verteilung der Ergebnisse
Darstellung (Boxplot) zur Veranschaulichung der Verteilung der Ergebnisse

Einzelne Veränderungen der Gesamtzufriedenheit

Einzelne Zufriedenheitsverläufe der 38 Teilnehmer
Einzelne Zufriedenheitsverläufe der 38 Teilnehmer
Wenn die Arme nicht mehr lange genug sind
Wenn die Arme nicht mehr lange genug sind

Gleitsichtbrillen können ganz schön nerven. Und doch sind Gleitsichtgläser ein Segen für Menschen mit Presbyopie, der sogenannten Weitsichtigkeit, die sich ab Mitte Vierzig bemerkbar macht. Nur Gleitsichtbrillengläser und Gleitsichtkontaktlinsen können die Flexibilität der menschlichen Augenlinse ersetzen, welche durch einen natürlichen und unausweichlichen Reifeprozess zurückgeht.